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Geschichte einer Nation

Montag 24. Februar 2014, von Andreas Venzke

Arena-Verlag, Würzburg 2011

Die moderne Geschichte Berlins und damit Deutschlands literarisch in Kurzgeschichten erzählt, begleitet von Sachteilen - eine Herausforderung!

Besprechungen

"Weder Stadtführer noch Stadtgeschichte steht Berlin dennoch im Zentrum – als Hauptstadt, geteilte und wiedervereinigte Stadt. Während die treffend ausgewählten und analytisch fundierten Sachkapitel Hintergründe und Folgen der ökonomischen, sozialen und politischen Entwicklungen beschreiben, machen die Erzählungen das Lebensgefühl in Berlin und die Auswirkungen auf den Einzelnen erlebbar. Venzke gelingt diese sich ergänzende Kombination ausgezeichnet. Manko ist allenfalls die wenig anschauliche Gestaltung als reiner Fließtext mit Schwarz-Weiß-Illustrationen sowie fehlende Hinweise auf weiterführende Literatur. Der Titel überzeugt durch Prägnanz, leichte Verständlichkeit sowie einen spannenden, bewegenden Stil. Das solide, in seiner Art und für die Zielgruppe konkurrenzlose Lesebuch eignet sich hervorragend für Menschen ab 12."
Thomas Schützenberger, ekz-bibliotheksservice

"Entstanden ist ein Lesebuch für die ganze Familie."
Familie & Co

"Ein Buch, das alle Jugendlichen lesen sollten. Ein Buch, das manche Ältere nicht lesen wollen."
Rudolf van Nahl, Alliteratus

"Kann ein Stadtführer spannend sein? Ja, er kann es. Kann er auch lustig sein? Ja, kann er. Ist er informativ, ziemlich umfassend, subjektiv und trotzdem ziemlich ehrlich, lesbar, kurzweilig ... ja ja, all das ist dieses Buch. [...] Selten war ein Stadtführer kurzweiliger und für Jugendliche angemessener."
Arbeitsgemeinschaft Jugendliteratur und Medien der GEW

"Zu Beginn reitet noch ein Kaiser Unter den Linden, zum Schluss traben 40000 Marathonläufer durch das wiedervereinigte Berlin. 14 Geschichten aus der Hauptstadt ergänzt Andreas Venzke mit knappen, aber guten Sachkapiteln – 50 Jahre nach dem Mauerbau ein vielfältiges Kaleidoskop über die spannendste Stadt Deutschlands."
Focus-Schule Nr. 4/2011

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Leseprobe

Gespräch in der Stille

"Wann kommt die nächste Maschine? Es kommt doch immer die nächste Maschine! Wie lange fliegen die jetzt schon? Wann haben sie damit angefangen, die Amis?"
"Am 24. Juni ..."
"Ja, ich weiß: Am 24. Juni 1948. Heute ist der 19. April 1949, ha, ein Tag vor dem wichtigsten Feiertag, den wir hatten."
"Hör auf damit! Wir können froh sein, ..."
"Also wie lange fliegen sie schon? Seit 10 Monaten, seit, Moment, wieville Wochen sind das?"
"Vierzig ..."
"Genau, seit 40 Wochen, jeden Tag, alle drei Minuten ein Flugzeug. Aber warum kommt jetzt keine neue Maschine? Sie sind doch immer geflogen. Wo bleibt denn die nächste? Die Amis werden doch nicht -!"
"Bleib mal ruhig! So musst du dich auch nicht aufregen! Da wird schon wieder ..."
"Wer weiß, was hinter den Kulissen gespielt wird? Wie sollen denn die Amis eine ganze Stadt auf Dauer aus der Luft versorgen? Würden sie diese Insel auch noch verteidigen, vielleicht mit Panzern? Nein, das könnten sie nicht. Andererseits: Das würde auch Krieg bedeuten."
"Der ist ja nun zum Glück ..."
"So weit ist der Ivan doch nicht gegangen, den Westen von Berlin einfach zu besetzen. Aber die Verbindungswege kappen, das können die natürlich. Das haben sie sich schön ausgedacht. Wie hamse jesagt: ’Die Transportabteilung der sowjetischen Militärverwaltung sah sich gezwungen, aufgrund technischer Schwierigkeiten den Verkehr aller Güter- und Personenzüge von und nach Berlin morgen früh, sechs Uhr, einzustellen.’ Technische Schwierigkeiten! In der Nacht war plötzlich zappenduster, als sie das Kraftwerk Zschornewitz abgeschaltet haben. Wo bleibt denn nur die nächste Maschine?"
"Wenn wieder eine abgestürzt ..."
"Jetzt iss schon zehn Minuten rum und nischt iss zu hören! Dass die Amis uns überhaupt helfen – vier Jahre nach dem Krieg, wo sie eifrig mitgeholfen haben, unsere Städte in Schutthaufen zu verwandeln! Na ja, aber wir hatten nun mal den ollen Hitler. Aber war das unsere Schuld? Hätten wir wissen können, was der im Schilde führt? Wir Kleenen ham doch sowieso nichts gewusst! Oder? War doch so?"
"Du hast schon ..."
"Von den großen Schweinereien, wat hamwa da jewusst? Nischt! Aber wenn der Ivan hier doch das Sagen kriegt?"
"Da ginge es einigen aber schlecht von uns, richtig schlecht. Ich möchte nicht wissen, wie viele hier Dreck am Stecken haben, die da im Osten gekämpft haben. Was allein mit den Juden passiert ist! Du musst auch ..."
"Klappe halten! – heißt es da besser! Der Ivan macht ja da keinen großen Unterschied! Die schicken auch die kleinen Helferlein aufs Schafott, oder ab nach Sibirien!"
"Aber im Westen lassen sie plötzlich alle laufen! Wenn ich sehe, wer hier schon wieder alles auf der Behörde sitzt! Auf einmal sind das alles Demokraten! Hauptsache, bei dir ..."
"Wir müssen ja jetzt auch bezahlen, richtig teuer. Wie geht es uns denn? Nichts zum Heizen, nichts zum Futtern! Aber die Amis zeigen, dass sie uns nicht im Stich lassen. Wenn nur verdammt noch mal endlich die nächste Maschine zu hören wäre!"
"Wenn in dem ganzen Ablauf einer mal ausrutscht, reißt der alle mit. Es muss ja nur auf der Startpiste in Wiesbaden ein Flugzeug liegen bleiben, dann ..."
"Die Amis können organisieren, doch, das können sie! Da können sogar wir uns noch ein Scheibchen abschneiden. Wenn da beim Adolf nur nicht so viel bestochen worden wäre!"
"Red doch nicht mehr so! Manchmal habe ich das Gefühl, du denkst immer noch ..."
"Nein! Wir wollen doch nun auch so sein wie die, mit der Demokratie und so. Anders haben wir sowieso keine Chance mehr in der Welt. Wie lange wird das wohl dauern, ehe das mit dem Krieg vergessen ist? Da ist es fast wie ein Wunder, dass die Amis uns nicht dem Wolf zum Fraß vorwerfen. Na ja, ein Wunder nicht. Die haben ja jetzt ihren neuen Feind. Aber was sollen wir denn machen, wenn die uns trotzdem aufgegeben haben und der Russe hier Kasatschok tanzt? Warum zum Teufel kommt die nächste Maschine nicht?"
"Die kommt schon! Bleib jetzt man auf dem Teppich! Außerdem warst du auf jeden Fall in Kriegsgefangenschaft, bei den Amis, das hast du ja schriftlich! Das schützt dich schon mal. Was du davor genau gemacht hast, das können die ja nicht so leicht ..."
"C54, klasse Maschinen! Wie beruhigend ihr Brummen klingt. Vier Sternmotoren mit je 1500 PS! Das sind schon tolle Kisten. Dass die Amis das alles über den Teich geschippert haben! Unglaublich! Da konnten wir nie den Krieg gewinnen! Solche Verbündete brauchen wir, nicht diese Sowjets, wie sie genannt werden wollen! Weißt du, die haben hier wirklich Wasserhähne aus der Wand gedreht, um die zu Hause einzuschrauben und darauf zu warten, dass wieder Wasser rauskommt."
"Von wem hast du das? Das kann doch nie einer in Wirklichkeit ..."
"Das haben sie doch überall erzählt! Das passt doch genau! Mit Panjewagen waren sie unterwegs, mit Pferdekutschen! Wo bleibt nur die nächste Drecksmaschine? Wie viel Zeit ist denn schon vergangen?"
"Viertelstunde! Fang jetzt nicht an auszu..."
"Verdammte Scheiße! Ich habe keine Lust auf ein Strafgericht beim Ivan! Da zaubern die plötzlich Beweise hervor, die keiner prüfen kann! Ich habe ja auch nur Befehlen gefolgt. Wer beim Adolf nicht wollte, den haben sie doch – ruckzuck ging das! Du weißt doch, wie das war!"
"Von dem Kruppke weiß ich, dass der ..."
"Ich habe keine Lust auf den Strick. Ich will nicht nach Sibirien. Warum bleibt es so still? Wieso kommt denn der verdammte Ami nicht? – Da! Hörst Du das? Hörst du das Brummen? Es wird lauter. Hörst du das? Ja, es ist wieder da! Es geht weiter. Das ist die C54. So klingt das süße Lied der Freiheit. Jetzt werden die Motoren gedrosselt. Hörst du? Jetzt geht die Maschine in den Sinkflug. Da, es wird leiser. Sie hat aufgesetzt. Wir sind gerettet!"
"Du bist gerettet"

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