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Der Grasesser

Dienstag 11. Februar 2014, von Andreas Venzke

Seit 2006 gibt es das Buch im Verlag Buch & media, so wie hier rechts zu sehen.

Ursprünglich ist Der Grasesser 2001 im Patmos-Verlag erschienen,
mit diesem Umschlag:

Der Grasesser - Originalcover

Dieser Umschlag wurde gleich noch einmal verwendet, und zwar für die chinesische Ausgabe in Taiwan:

Der Grasesser - Cover: China

Besprechungen

Patmos-Verlag, 2001, bzw. Verlag Buch & media, 2006

"Komische Szenen reihen sich aneinander. Der Gras essende Junge gestattet einen schrägen, ungewöhnlichen Blick auf eingefahrene Verhaltensmuster."
Berliner Zeitung

"Diese Geschichte zeigt, wie schnell ein Mensch zum Außenseiter wird, wenn er nur ein bisschen anders ist. Und ein kleines bisschen anders als andere sind wir doch alle. Oder?"
Confetti, ORF

"Andreas Venzke schreibt mit ’der Grasesser’ eine selten witzige und auch etwas kritische Erzählung, die mit viel Humor darauf hinweist, wie gerne Ungewöhnliches in unserer Gesellschaft als ’Unnormales’ abgestempelt wird. [...] Eine freundliche Persiflage auf alle Vorurteile, die es gegenüber Land- und Stadtleuten gibt, und die wohl so wahr sind, dass man schon wieder darüber lächeln muss."
Berchtesgadener Anzeiger

"Eine ganz verrückte Geschichte präsentiert Andreas Venzke. [...] zwangsläufig folgt dabei die Frage nach der Normalität. Was ist normal und was nicht? Wie geht man mit dem ’Unnormalen’ um? Wer entscheidet überhaupt was normal ist? Das Buch liest sich sehr leicht und macht neugierig auf das was wohl noch mit Volker passiert. Trotz ernstem Hintergrund besitzt es viel Witz [...]"
Kommission für Schul- und Gemeindebibliotheken des Kantons Luzern

"Keine leichte, eben fremde Kost."
Bücherbär

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Leseprobe

Anfang:

Volker war kein einfaches Kind. Vielleicht gibt es gar keine einfachen Kinder, also solche, die immer alles so machen, wie es die Eltern wollen. Doch unter all den Kindern, die nicht einfach sind, gibt es geradezu schwierige. Und zu denen gehörte Volker. Eigentlich war Volker ja so, wie sich die meisten Eltern ein Kind wünschen. Volker konnte gut schreiben und rechnen. Er spielte auch gern am Computer. Dann konnte er ganz still sein, was aber eher selten vorkam.
Meistens konnte er keine fünf Minuten ruhig dasitzen. Er rutschte auf dem Stuhl hin und her, schaukelte vor und zurück, wackelte mit den Zehen, kratzte sich am Kopf, stellte sich hin und setzte sich wieder, sprang dann auf, trat von einem Bein aufs andere und hüpfte herum. Manchmal hätte ihm sein Vater am liebsten ein paar von seinen Beruhigungstabletten gegeben. Doch das wollte die Mutter nicht.
Dass Volker so zappelig war, fanden seine Eltern trotzdem nicht so schlimm.
Was sie wirklich schlimm fanden, war etwas ganz anderes. Volker litt nämlich an Ess-Störungen. Er wollte nie das essen, was die Mutter auf den Tisch stellte: Schweinebraten oder Rinderbraten oder Kalbsbraten, dazu Kartoffeln oder Nudeln oder Knödel, außerdem Rosenkohl oder Erbsenpüree oder Sauerkraut. Die Mutter konnte kochen, was sie wollte – Volker mochte nichts davon. Das Einzige, was er nicht verschmähte, war Brot, einfaches Brot ohne Butter, ohne Wurst, und dazu Milch. Milch trank er in Mengen.
Das fiel sogar dem Arzt auf, als der Volker zu Hause untersuchte. Volker hatte gerade Durst, und als ihm die Mutter ein großes Glas Milch hinstellte, trank er das in einem Zug aus und wollte gleich ein zweites. Der Arzt riss die Augen auf.
"Der kann ja mit einem Kamel um die Wette trinken!", sagte er.
Die Mutter erklärte ihm, dass Volker jeden Tag drei, sogar vier Liter Milch trinke.
"Erstaunlich!", rief der Arzt und fragte noch einmal: "Und sonst isst er wirklich nur Brot?"
"Ja, seit zwei Wochen", antwortete die Mutter. "Doch davon isst er alle Sorten, sogar Pumpernickel. Früher hat er noch Gemüse gegessen, Möhren zum Beispiel, aber nicht gekocht. Doch das kam nicht so oft vor."
"Äußerst erstaunlich!", murmelte der Arzt noch, ehe er wieder ging. "Und eigentlich wirkt er gar nicht krank."
Dabei konnte Volker nicht gesund sein! Kann denn einer gesund sein, der nur Brot isst und Milch trinkt und der noch dazu so zappelig ist? Jedenfalls verschrieb der Arzt verschiedene Tabletten und Säfte wie die anderen Ärzte vorher auch. Die halfen aber auch nicht. Sie führten jedenfalls nicht dazu, dass Volker etwa knackige Bockwürstchen gegessen hätte.
Das wurmte besonders Volkers Vater. Der nahm selbst eine Menge Tabletten, nicht nur gegen Bluthochdruck, Gefäßverengung und Gicht, sondern auch gegen Kopfschmerzen, Schwindelgefühle und Schlaflosigkeit, und bei ihm halfen sie immer.
Der Vater konnte überhaupt nicht verstehen, was mit seinem Sohn los war.
"Was hast du denn nur?", fragte er Volker an dem Abend, als ihn der Arzt untersucht hatte. "Warum stellst du dich so an? Man kann dich ja nirgendwohin mehr mitnehmen. Und zappel nicht so herum! Sitz bitte einmal fünf Minuten still, nur fünf Minuten! Das kannst du doch. Wenn man nur wüsste, was dir fehlt! Es muss doch eine Lösung geben. Für jedes Problem gibt es eine Lösung. Die Schilddrüse ist es ja nicht. Das war bei deiner Mutter mal so. Sie hat was für die Schilddrüse genommen und dann hat sie wieder zugenommen und hat nicht mehr so geschwitzt und hat sich überhaupt beruhigt. Heute gibt es für alles ein Mittel. Also, was hast du nur?"
Volker schaute auf den Boden, scharrte mit den Füßen und zog die Schultern hoch. Und dann schob er wieder den Teller mit Essen weg, das die Mutter so liebevoll zubereitet hatte: Rouladen, gefüllt mit saftigem Speck, dazu gut durchgekochte Kartoffeln und außerdem ein paar in Butter gedünstete Erbsen.
Weil die Eltern einfach kein Mittel finden konnten, um Volker zum Essen zu bringen, schickten sie ihn nach Stierdorf, aufs Land. Vielleicht würde ihm die Natur helfen. Vielleicht würde ihn die frische Luft mal so richtig hungrig machen. Das hatte auch der Arzt empfohlen.
"Und wenn das nichts hilft, soll er von mir aus Gras fressen!", sagte der Vater noch.
[...]

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