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Affenliebe

Die Petrus-Figur im Freiburger Münster

Dienstag 11. Dezember 2018, von Andreas Venzke

Seht Ihr, wenn Ihr durch das Hauptportal des Freiburger Münsters kommt, gleich am ersten Pfeiler links den Affen? Dort auf der Konsole unter der Figur des Heiligen Petrus ...
Was für eine seltsame Abbildung!

Da hockt eine Affenmutter, die sich mit den Füßen und einer Hand vom Stein abzudrücken scheint. Sie ist auf der Flucht, wie das auch ihr Gesicht ausdrückt: Die aufgerissenen Augen, der offene Mund! Und dazu trägt sie vor ihren Brüsten zwei Junge, nein, eigentlich nur eins: Halten tut sie nur das Junge in ihrer linken Hand, während das andere sich selbst an ihrer Brust säugend festhält.

Was hat das zu bedeuten? Und warum ist diese Abbildung unter der Figur des Petrus angebracht?
Es passt, wenn man nur von Zweierlei weiß:

So schreibt Plinius der Ältere in seiner „Naturgeschichte“ (hier in einer Übersetzung von Philipp H. Külb von 1840):

„Das Affengeschlecht hat eine überaus große Liebe zu seinen Jungen. Die zahmen Weibchen, welche in den Wohnungen der Menschen geboren haben, tragen ihre Jungen auf den Armen, zeigen sie Jedermann und freuen sich, wenn man sie streichelt, gleich als wenn sie dieß als eine Beglückwünschung betrachteten; deßhalb ersticken sie dieselben auch sehr oft durch ihre Umarmungen.“

Und Petrus? Wie kommt der hier ins Spiel? Als Jesus seinen Leidensweg angekündigt hatte und Petrus ihm deswegen Vorwürfe machte, heißt es dazu weiter in der Bibel (ab Markus 8,27):

„Er aber wandte sich um und sah seine Jünger an und bedrohte Petrus und sprach: Gehe hinter mich, du Satan! Denn du meinst nicht, was göttlich, sondern was menschlich ist. Und er rief zu sich das Volk samt seinen Jüngern und sprach zu ihnen: Wer mir will nachfolgen, der verleugne sich selbst und nehme sein Kreuz auf sich und folge mir nach. Denn wer sein Leben will behalten, der wird’s verlieren; und wer sein Leben verliert um meinet- und des Evangeliums willen, der wird’s behalten.“

So geht das also zusammen: Die Affenmutter flieht und will das Leben ihrer Jungen retten: Doch das kann wohl nur bei dem einen gelingen, das sich nämlich aus eigenen Kräften an ihr festhält. Das andere wird sie verlieren, weil sie es unbedingt behalten will und es deswegen – in ihrer großen Liebe – an sich drückt. Und so ist das auf Jesus und den Glauben an ihn zu übertragen. Krass, nicht wahr?

Sonst ließe sich noch viel zu dem Begriff „Affenliebe“ bemerken, den es so wohl nur im Deutschen gibt. Wie schon die Alten sahen, halten die Affenmütter ihre Jungen immer geschützt an sich. Im Vergleich zu den Menschenmüttern stand das als Sinnbild für übermäßige Liebe. Die Strafe folgte damit auf dem Fuße: Die Affenmütter würden ihre Babys deswegen oft ersticken. Schwarze Pädagogik, wie sie bis in die Neuzeit vorherrschte.

Und dann wäre da noch ein ganz anderer Aspekt: Es ist wahrscheinlich, dass der Affe eine Gugel trägt. Das war eine Art Kapuze, die bis über die Schulter reichte. Ihre Spitze wäre hier nach vorn gezogen. Die Gugel war im Mittelalter den Juden oft als Kopfbedeckung vorgeschrieben, als eine besondere Form von „Judenhut“. Weil wiederum der Affe als das hässlichste Tier galt, hätte man sich mit dieser Darstellung auch einen sozusagen närrischen Seitenhieb auf die Juden erlaubt.

© Andreas Venzke, 2018