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Freiburger Mahnmal

Erpel im Stadtgarten

Freitag 16. Oktober 2020, von Andreas Venzke


Stellungsnahme zur "Anekdote" um den "Freiburger Erpel"


Zu einem besonderen Aspekt der Freiburger Stadtgeschichte habe ich mir erlaubt, in der „Badischen Zeitung“ einen Leserbrief zu veröffentlichen. Er bezog sich auf einen Artikel vom 27. April 2020. Darin hieß es, das lädierte Denkmal eines Erpels solle, als ein Geschenk der „Arbeitsgemeinschaft Freiburger Stadtbild“ (Arge), renoviert und zur 900-jährigen Stadtfeier wieder an seinen Stammplatz zurückkehren.

Leserbrief in der "Badischen Zeitung"

So sah das Denkmal vor seiner Demontage aus. Die Inschrift lautet übrigens: „Die Kreatur Gottes klagt, klagt an und mahnt.“

Erpel-Mahnmal alt
Zustand des Erpels vor der Demontage und beabsichtigten Restaurierung

In einem weiteren Leserbrief machte mich ein Leser noch darauf aufmerksam, dass es nur das Kapitol von Rom war, das die schnatternden Gänse vor den heimlich anrückenden Galliern schützten ...


Restaurierung des "Freiburger Erpels"


Die Geschichte um den Erpel ging so weiter, wie sich dies aus einem zweiten Leserbrief in der BZ vom 6. 2. 2021 entnehmen lässt, der sich wiederum auf einen Artikel bezog mit dem Titel: „Der Ur-Erpel steht Modell für den neuen Stadtgarten-Enterich“

Wie in der Badischen Zeitung umfangreich berichtet, soll also die Figur des Erpels im Stadtgarten tatsächlich restauriert wieder aufgestellt werden. Die Skulptur, heißt es, habe die Erinnerung an die Bombennacht über Generationen hinweg lebendig gehalten, also an die Bombardierung und Zerstörung Freiburgs durch eine englische Bomberflotte im Zweiten Weltkrieg. Nur welche Form der Erinnerung, möchte man fragen.

Man hat in der Nachkriegszeit geradezu verzweifelt danach gesucht, wie man dieses Ereignisses gedenken könnte. Stimmung und Einstellung dazu waren (und sind eigentlich bis heute): Da wurde eine unschuldige Stadt, militärisch bedeutungslos, aus dem Hinterhalt überfallen. Da man in diesem Sinne nichts Adäquates zur Erinnerung fand, erfand man halt eine Geschichte, besser, entnahm diese der römischen Geschichtsschreibung, von einem Erpel, der zur Warnung „geschnattert“ hätte.

Das steingewordene Bekenntnis zu dieser Lüge empfand man aber bald als so unangenehm, dass man sich von diesem Mahnmal wahrlich distanzierte und es weit weg von der Innenstadt in den Stadtgarten verbannte. Inzwischen ist die Geschichtsvergessenheit aber anscheinend so groß, dass man selbst angesichts einer solchen „Geschichtsklitterung“ keine Scham empfindet. Das Mahnmal sei nun mal sympathisch, wird die Vorsitzende der „Arbeitsgemeinschaft Stadtbild“ zitiert, und zwar so sehr, dass es einem „ein Lächeln ins Gesicht zaubert, auch wenn der Anlass traurig ist“. So wird diese Skulptur fortan erst recht ein besonderes Mahnmal an den Umgang der Stadt mit ihrer Geschichte sein. Man will es nicht besser wissen.


Die erneute Aufstellung des "Freiburger Erpels"


Der weitere Fortgang und der Abschluss dieser Geschichte lässt sich einem weiteren, allerdings nicht veröffentlichten Leserbrief entnehmen, der sich auf einen umfangreichen Artikel in der BZ vom 28. April 2021 bezog mit dem Titel: „Der Erpel ist im Anflug“

Die Berichte in der Badischen Zeitung, wie das Denkmal des Erpels im Freiburger Stadtgarten nun wieder schön hergerichtet wird, lesen sich weiterhin nett. Die Figur wird sogar neu erschaffen. Sicherlich macht der Bildhauer David Steinbrück dabei eine sehr gute Arbeit. Aber es grenzt durchaus an Sturheit, oder gar Borniertheit, wie man sich in diesem Fall offensichtlich weigert, sehen zu wollen, was dieser komische Vogel in Wirklichkeit ausdrücken soll – oder wie man den Blick darauf sogar beschränken will, wie das letztens Peter Kalchthaler (am 22. 2. 21) hier in der Zeitung getan hat. Seine Begründung lautete sinngemäß: Der damalige Bürgermeister Hoffmann, in der NS-Zeit politisch Verfolgter, habe eine moderne Legende aufgegriffen. Die Menschen würden angesichts von Katastrophen oft danach suchen, „das Unerklärliche begreifbar zu machen“. Es folgt dann noch der Hinweis: „Wieder einmal wünsche ich mir in einer solchen Debatte mehr Sorgfalt im Umgang mit historischen Tatsachen und den Respekt vor Gedanken und Meinungen in der Entstehungszeit von Denkmälern – da neigen wir Heutigen oft zu einer gewissen Überheblichkeit.“

Nun führte diese Skulptur nach ihrer Installation an verantwortlicher Stelle bald zu großem Unbehagen (es gab sogar den Vorschlag, sie zu einem Denkmal für den Tierschutz umzuwidmen). Heute jedoch hat man anscheinend nicht nur keine Probleme mehr, einen konstruierten, von den Römern geklauten Schwank als Heimatgeschichte zu verkaufen, sondern man steht sogar bewusst dazu. Indem man den Erpel nun wieder original herrichtet und aufstellt, will man also weiter dafür sorgen, dass zur geschichtlichen Berichterstattung über Freiburg auf einen angeblich schnatternden Erpel mit Gänsehals verwiesen wird, der die ungeschützte, friedlich schlafende Stadt vor dem feindlichen Angriff gewarnt hätte? Und wird nun wirklich auch der Sinnspruch dazu erneuert, darunter: „Die Kreatur klagt an“? Man muss hier wahrlich kein Psychologe sein, um die Gedanken und Meinungen in der Entstehungszeit dieses Denkmals zu verstehen, dass man nämlich auf ein Tier übertrug, was man selbst ja nicht aussprechen durfte: Die Bombardierung Freiburg war ein heimtückisches Menschheitsverbrechen, und das gehört eigentlich angeklagt.

Auch wenn die Warnung offensichtlich nicht durchdringen soll: Wenn man die Lüge zu einer Anekdote macht, wird sie als solche doch immer wieder zu hören sein, vielleicht sogar schnatternd.

So sieht das Denkmal heute, im Jahr 2022, aus:

Erpel-Mahnmal neu
Zustand des Erpels nach der Restaurierung